Kaum ein Naturphänomen vereint Faszination und Bedrohung so sehr wie ein sommerliches Wärmegewitter. Für Wander‑, Kletter‑ und Wassersportfans entsteht das größte Risiko häufig nicht durch den direkten Treffer, sondern durch indirekte Blitzwirkungen: Strom fließt über Boden und Leitungen, dringt in metallische Fixpunkte oder überspannt Zeltstangen und Wohnmobil‑Elektrik. Die Tragödie am Zugspitz‑Klettersteig, bei der im Juli 2024 ein 18‑Jähriger tödlich verletzt wurde, zeigt, wie schnell eine Tour im Hochgebirge in ein Unglück umschlagen kann.
Indirekter Blitzschlag: Physik und typische Wirkungswege
Sobald ein Blitz in einen Baum, Felssporn oder Mast einschlägt, breitet sich sein Strom fächerförmig im Untergrund aus. Zwischen zwei Punkten im Abstand einer Schrittlänge können sich dabei einige Tausend Volt Potentialdifferenz aufbauen; dieser als Schrittspannung bezeichnete Effekt bleibt bis zu 30 Metern um den Einschlag gefährlich, auf felsigem Terrain noch darüber hinaus.
Berührt eine Person gleichzeitig zwei leitfähige Teile (etwa Karabiner und Drahtseil), wirkt zusätzlich Berührungsspannung. Überspannungen in Strom‑ und Datenleitungen treten kilometerweit auf; sie zerstören Navigationsgeräte, Funk und Photovoltaikregler, ohne dass ein Blitz in unmittelbarer Nähe niedergehen muss.
Gefährdungsräume im Gelände: Berg, Wasser, Wald & Zeltplatz
- Bergsport: Grate, Gipfelkreuze, Drahtseile am Klettersteig und wasserführende Runsen leiten den Strom bevorzugt ab. Der Deutsche Alpenverein rät, versicherte Steige rechtzeitig zu verlassen, metallische Ausrüstung abzulegen und den Abstand zu Tourenpartnern zu vergrößern.
- Binnenseen und Küste: Wasser bildet einen großflächigen Leiter; schon schwacher Stromfluss kann zu Muskelkrampf und Ertrinken führen. Die DLRG‑Baderegel 10 betont deshalb, das Wasser bei Donner sofort zu verlassen.
- Camping & Vanlife: Ein vollmetallisches Wohnmobil fungiert als Faraday‑Käfig, doch Kunststoff‑Aufbauten oder aufstellbare Schlafdächer bieten keinen vollständigen Schutz. Promobil empfiehlt eine leitend verbundene Außenhaut von mindestens 0,5 mm Aluminium und den Verzicht auf Kontakt zu Kurbelstützen während des Gewitters.
Frühwarnung und Tourenplanung
Wetter‑Apps
Gewitter entstehen in Mitteleuropa typischerweise an heißen Nachmittagen oder vor Kaltfronten.
Der Deutsche Wetterdienst stellt mit WarnWetter minutengenaue Blitztracking‑Karten bereit
Kombi‑Apps wie NINA bündeln amtliche Gefahrenmeldungen.
Wolkenkunde und 30/30‑Regel
Im Gelände genügt oft der Blick zum Himmel: türmende Cumulonimbus‑Wolken, rasch rotierende Böen oder das Knistern statischer Ladung an Trekkingstöcken sind klare Vorboten. Zählen Sie die Sekunden zwischen Blitz und Donner und teilen Sie durch 3 – liegt der Wert unter 10, ist das Zentrum unter 3 Kilometern entfernt und unmittelbare Schutzsuche geboten.
Richtiges Verhalten, wenn das Gewitter Sie einholt
Wer keinen sicheren Unterschlupf erreicht, reduziert das Risiko über die Blitz‑Hocke: Füße eng zusammenstellen, auf die Fußballen kauern, Arme um die Unterschenkel, Kopf einziehen; eine trockene Seilmatte oder der Rucksack isolieren zusätzlich. Je weniger Bodenkontakt, desto geringer die Schrittspannung.

DAV‑ und VDE‑Empfehlungen raten Outdoor‑Gruppen, einen Abstand von mindestens einigen Metern zueinander einzuhalten, damit ein einzelner Erdschluss nicht mehrere Personen gleichzeitig trifft.
Zelte gelten als unsicher, sofern sie kein integriertes Blitzschutznetz besitzen. Stellen Sie das Lager nie auf exponierte Hügelkuppen oder direkt neben einzeln stehende Bäume, sondern in kleineren Mulden mit abfließendem Wasser, jedoch fern von Bachbetten, die bei Starkregen anschwellen könnten.
Schutzräume unterwegs – Auto, Hütte, Bergstation
Ein geschlossener Pkw oder Minibus mit Stahl‑ oder Alukarosse bietet nahezu vollständigen Schutz; Cabriolets, Hartschalen‑Kanadier und Carbon‑Kajaks nicht. In Bergregionen gelten bewirtschaftete Hütten mit normgerechter Fang‑ und Erdungsanlage als sicherste Option. Felsgrotten funktionieren nur, wenn Sie mindestens 1,5 Meter Abstand zur Wand halten, damit kein Sekundärstrom überspringt.
Technik und Ausrüstung
Überspannungsschutz, Biwaksack & Notstrom
Outdoor‑Elektronik lässt sich in einer Alu‑Trinkflasche oder im Topfset vor induzierten Spannungen abschirmen. Überspannungs‑Steckdosen mit Typ‑III‑Ableiter schützen den Wechselrichter im Camper. Für Hüttentouren gehört ein Biwaksack in Signalfarbe ins Gepäck – er isoliert in der Blitzhocke nicht nur elektrisch, sondern schützt auch vor hypothermem Windchill nach dem Gewitter.
Mythen und häufige Irrtümer
Gummisohlen oder Fahrradreifen isolieren nicht gegen 100 kA Blitzstrom; entscheidend ist die geringe Standfläche, nicht das Material. Ein Wald schützt nur im dichten Bestand – am Waldrand ist die Einschlagswahrscheinlichkeit höher. Und: Handybenutzung zieht keinen Blitz an; vielmehr kann es dank Notruf‑Ortung Leben retten.